Vortrag von Gerhard Finkbeiner anlässlich des Familientreffens der Familien
Müllerleile am 12. Oktober 1997 im Gasthaus „Zur Eiche“ in Schuttertal
Auf schroffem Porphyrfelsen in 525 Meter Höhe wurde um 1250 die Burg
Hohengeroldseck erbaut. Bis zu ihrer Zerstörung 1689 beherrschte sie die
Schönberg-Passtraße zwischen Lahr und dem Kinzigtal. 1634 starb das Geschlecht
der Geroldsecker aus. Den Geroldseckern folgten die Grafen von Cronberg, dann die
Grafen bzw. Fürsten v. d. Leyen. Bis 1819 war Schuttertal Teil der Herrschaft
Hohengeroldseck. Danach kam das Dorf als Vogtei und später als selbstständige
Gemeinde zum Großherzogtum Baden.
Urkundlich erwähnt wird Schuttertal erstmals im Jahre 1270.
Bei der geroldseckischen Teilung von 1277 kam Schuttertal an die Linie von
Hohengeroldseck. Zeuge der Beurkundung des Vertrags war auch Vogt Wilhelm von
Schuttertal. Das mit ihm auftretende Geschlecht der Edlen von Schuttertal ist
im 15.Jh. letztmals nachweisbar. Sitz der Edlen von Schuttertal war ein
steinerner Wohnturm unweit der einstigen romanischen Dorfkirche.
Schuttertal besaß auch ein kleines Wasserschloss, das die Herren von
Hohengeroldseck um1465 herum erbaut haben. Das Wasserschloss gaben die Geroldsecker
einem Kaspar von Waldstein zu Lehen. Dieser verpflichtete sich 1470, dass er
die Burg in einem guten baulichen Zustand erhalten und dieselbe noch vollenden,
mit gerüstetem Pferd und Harnisch den Geroldseckern in Kriegszeiten zu Diensten
stehen werde und die "armen Leute“ des Dorfes bei Not mit Hab und Gut in
das Schloss fliehen lasse.
Genau aus der Zeit, als in Schuttertal die Tiefburg erbaut wurde, haben wir die
erste Nennung eines Untertanen, eines Leheninhabers namens "
muller-lauwelin" 1465 werden Bauerngüter von „Jörg Herr zu
Hohengeroldtzeck“ in der Schuttertäler Gemarkung in einem Lehensbrief an
Bernhard Bastard von Geroldseck verliehen: Der "muller- lauwelin"
besitzt also 1465 mit einem so genannten Mitbauern zusammen ein Hofgut, das
vier Lehen groß war (Doppelhof).
Die 40/44 Hofstätten in Schuttertal, "Lehen" oder "Güter"
werden in den schriftlichen Quellen stets in derselben Reihenfolge aufgezählt.
Die Güter-Aufzählung beginnt im Durenbach, dann kommt Höfen, der Runzenbach,
die Fohren, dann Laulisgraben usw.
Schlussfolgerung: Mit großer Wahrscheinlichkeit saß der 1465 genannte
“mullerlauwelin" auf dem heutigen Wintererbauernhof oder auf dem heutigen
Kasperbauernhof. Die Urkunde von 1465 ist also für die Müllerleile-Sippe ein
ganz bedeutsames familiengeschichtliches Dokument. Hier sollte weiter geforscht
werden.
Findet das Bauerngeschlecht Müllerleile in den geschichtlichen Quellen
weiterhin Erwähnung? Ja, auf solchen Steuerlisten. Es galten folgende Regeln:
Nach dem Ableben des Lehensinhabers hat der Nachfolger als "Fall" die
zwei besten Stück Vieh zu geben, der Taglöhner das beste Stück, das er hat. Bei
Verkauf des Hofes hat er den dritten Teil des Wertes, den Drittel, bei Abzug
den zehnten Teil in Geld zu entrichten. Die Bauern hatten den Großzehnt
abzugeben:
Hafer, Korn, Weizen, Gerste und Wein, Kapaunen, Fastnachtshühner, Erntehühner;
Kleinzehnt: Heu, Spanferkel, Hanf, Flachs, Eier, Obst und Hirse. Hinzu kamen
Steuern, Zins, der in Form von Geld abzugeben war.
Die Geldabgaben wurden in Steuerlisten erfasst. Solche Steuerlisten sind uns
für die Jahre 1547 bis 1578 erhalten geblieben.
Auch in diesen Steuerlisten erscheinen die Müllerleiles ganz am Beginn der oben
erwähnten Aufzählungsfolge.
Die Familie Müllerleile saß also zwischen 1500 und 1600 auf dem Kasperbauernhof
und auf dem Wintererhof, wie begründet vermutet werden darf.
Wir können auch davon ausgehen, dass die Bauernfamilie Müllerleile im 16.Jh.
eine relativ wohlhabende Familie war und nun schon seit mehreren Generationen
auf dem Hofgut in Höfen saß.
Bestimmt hat sie auch regelmäßig ihre Abgaben geleistet und wurden von der
Herrschaft Hohengeroldseck als tüchtige, arbeitsame, treue Untertanen
betrachtet.
Dies schließt jedoch nicht aus, dass die Müllerleiles auch beim Bauernkrieg
mitmachten, um sich von drückenden Abgabenlast zu befreien.
Bestimmt wären auch sie zu gern freie Bauern gewesen, die nach Lust und
Bedürfnis in den Wäldern jagen dürfen. Doch die Bauern blieben leibeigen und
der "Schuttertäler Haufen", der zerstörend durch das Schuttertal und
Münstertal in die Rheinebene vordrang, musste für den Aufstand ordentlich
büßen.
Nach der Eroberung von Ofen/Ungarn durch die Türken im Jahre 1541 trat die von
Osten her drohende Gefahr den Menschen im Reich wieder deutlicher ins
Bewusstsein.
Eine allgemeine Türkensteuer sollte die materielle Voraussetzung für die
Führung dieses Abwehrkampfes schaffen. Sie war als Reichssteuer aufzufassen.
Woher der Name „Müllerleile“ kommt
Historisch gesehen, ist der Rufname älter als der Familienname. Bis weit in das
Mittelalter hinein herrschte Einnamigkeit, denn das Leben vollzog sich in
kleinen, überschaubaren Bereichen, in denen ein Name, der Rufname, zur
Unterscheidung der Person ausreichte.
1565 - 78 Schuttertäler Groß- und Kleinzehnt
1596 - 1600 Türkensteuer
1615 Gerichtsprotokoll
1619 Schuttertäler Zinsinhaber
Seit Ende des 12.Jahrhunderts herrschen vor allem Rufnamen aus dem Neuen
Testament vor. Bei der betont christlichen Namengebung gewann besonders der
örtliche Kirchenpatron (Heiligenpatronat) als Namenspatronat für die
Dorfbewohner an Bedeutung.
So verbergen sich in den häufigen Kurzformen der Rufnamen im Schuttertal die
damals im Tal verehrten Heiligen, besonders auch der Ortspatron und die
Heiligen der Nachbarschaft.
Blesy (Blasius)
Christ, Christman (Christian)
Galle (Gallus)
Lawlin (Nikolaus, Seelbach)
Lenglin (Landelin, Ettenheimmünster)
Marx (Markus)
Mattern (Maternus)
Panthrion, Panthlion, Bantle (Pantaleon)
Rumen, Ruman (Romanus, Schweighausen)
Stinus (Augustinus)
Theus, Theis (Matthäus)
Thenger, Theniger, Theng (Antonius, Schuttertal)
Veltin (Valentin)
Vix, Fix (Vitus)
Die Hinzufügung eines Beinamens zum Rufnamen wurde schließlich notwendig, als
sich viele Menschen zu einer Gemeinschaft zusammenschlossen. Seit dem 12.
Jahrhundert begegnet man in den Städten den ersten bürgerlichen Beinamen, die
nach einigen Generationen fest, d.h. erblich, und damit zum Familiennamen
werden.
Zur Unterscheidung wird den Trägern von gleichen Rufnamen die Berufsbezeichnung
oder der Taufname des Vaters beigegeben. Der Familienname eines anderen bezieht
sich auf die Herkunft oder auf die Lage des Wohnplatzes. Auch Übernamen,
Spitznamen, die Kennzeichnung körperlicher oder charakterlicher Merkmale
dienten der Namensgebung.
Schlussfolgerung:
Der Rufname " lawlin" oder "lauwelin" oder
"lawelin" usw. geht zurück, bzw. leitet sich ab von „Nikolaus“, dem
Heiligen-Patron der Pfarrei Seelbach, damals Hauptort der Herrschaft
Hohengeroldseck.
"muller" oder Miller, Müller ist eindeutig eine Berufsbezeichnung.
Vermutlich war einer der Vorfahren des 1465 genannten
"muller-lauwelin" Inhaber der alten herrschaftlichen Bannmühle im
Laulisgraben.
Denn einmal wird in der Steuerliste im 16.Jh. ein "Hannß Müller im
Lawlingsgraben" genannt. Ich glaube nicht, dass dies eine Verschreibung
ist, sondern auf Überlieferung beruht und so viel heißt wie der Müller im Tal,
Graben des Lawelin, also im Nikolausgraben.
Müllerleile heißt also konkret nichts anderes als der Nikolaus, der von Beruf
Müller war, der Müller-Lawelin, der Müller-Nikolaus.
Wie wir anhand der Steuerlisten gesehen haben, gibt es im 15. und 16.
Jahrhundert und zu Beginn des 17.Jahrhunderts schon mehrere
Müllerleile-Familien in Schuttertal. 1565 - 78 Schuttertäler Groß- und
Kleinzehnt
Leider kennen wir weder den Geburtstag, die Ehedaten noch die Sterbedaten
dieser Müllerleile-Personen.
Wir können also im 15. und 16. Jahrhundert keine schlüssige Generationenfolge
herstellen.
Wir wissen für die Zeit des 15. und 16. Jahrhunderts nicht mit Sicherheit, wer
ist der Sohn von welchem Müllerleile.
Wir sind auf Vermutungen angewiesen, die allerdings hohe Wahrscheinlichkeiten
haben.
Aus der Zeit des 3Ojährigen Krieges haben wir gar keine Personendaten.
Die ersten exakten Lebensdaten von Personen mit dem Familiennamen Müllerleile
geben uns dann die Kirchenbücher von Schuttertal und Dörlinbach.
Beide Kirchenbücher führen als ersten Müllerleile einen Hofbauer namens Jakob
Müllerleile an.
Der eine ist um 1638 herum geboren und Hofbauer auf dem Zieglerhof in
Dörlinbach, der andere ist um 1650 herum geboren und Hofbauer auf dem
Kasperbauernhof.
Wie schon in den Steuerlisten des 16.Jhs heißen auch diese beide Bauern mit
Vornamen "Jakob".
Dieser Rufname erscheint bei den Nachkommen der beiden Müllerleile-Familien
noch öfters.
Dies lässt darauf schließen, dass der Vorname Jakob in einer der
Müllerleile-Familien besonders gepflegt und immer wieder weiter vererbt wurde.
Schlussfolgerung: Die Müllerleile mit dem Rufnamen Jakob gehören wohl zu einer
Familie.